Ullrich Eidenmüller 
 

Pressespiegel

ka-news, 30.09.2002
Macht und Ohnmacht von Denkmälern


Gedenktafeln erinnern nun an Opfer des Reiters am Mühlburger Tor
Karlsruhe - Viele Bürger der Fächerstadt kommen ohne richtig darauf zu achten, täglich an ihm vorbei: Die Rede ist von Kaiser Wilhelm I. Sein Reiterstandbild steht auf dem Kaiserplatz am Mühlburger Tor. Er war ein Mann mit zwei Gesichtern, soviel steht fest. Als König und später als Kaiser des preußischen Reichs verwirklichten er und sein Kanzler Bismarck den Wunsch vieler Untertanen nach einem vereinigten "Deutschland". 1848 schlug er als Oberbefehlshaber der Bundestruppen die Revolution der Badener und Pfälzer blutig nieder. 27 Freiheitskämpfer wurden danach standrechtlich erschossen. 153 Jahre später bringt die Stadt Karlsruhe am Standbild nun Gedenktafeln für diese Opfer des Kaisers an.

Huldigung im Nachtod 
(...) Im Jahr 1998 beschäftigten sich dann Schüler der dreizehnten Stufe des Markgrafengymnasiums in Durlach mit dem hochwohl geborenen Reiter auf dem Kaiserplatz im Rahmen eines Schülerwettbewerbs. Zum 150-jährigen Gedenken an die Ereignisse im Jahr 1849 stellten sie hölzerne Gedenktafeln mit den 27 Namen der hingerichteten Freiheitskämpfer auf und behängten das Reiterdenkmal Kaiser Wilhelms symbolisch mit 27 Totenköpfen aus Gips, um auch auf das andere, brutale Gesicht des Herrschers hinzuweisen. 
(...) Die Aktion spaltete die Karlsruher Bevölkerung. Die Einen sahen darin die Verschandelung eines Denkmals und Verunglimpfung einer deutschen Persönlichkeit der Vergangenheit. Die anderen lobten die konstruktive Auseinandersetzung mit der Geschichte der Stadt. 
Die Stadtverwaltung hat nun die Aktion der Schüler als Anstoß genommen, die einmalige Aktion der Schüler zu einer Dauereinrichtung werden zu lassen. Bürgermeister Ullrich Eidenmüller weihte am Freitagnachmittag Gedenktafeln an die Freiheitskämpfer ein. Um das Reiterdenkmal Wilhelm I. hat die Stadt auf 27 Steintafeln die Namen der Hingerichteten eingravieren lassen. Eine weitere Platte erläutert die Geschehnisse während und nach der Revolution. (...)
"Wir müssen uns mit der Geschichte der Stadt Karlsruhe auseinandersetzen und einen Bogen schlagen von der Vergangenheit in die Gegenwart", sagte Eidenmüller in einer kurzen Ansprache. Nicht nur der guten Verdienste des Kaisers dürfe gedacht werden. Auch den Schlechten müsse man gedenken. Im Hinblick auf die Exekutierten sagte er: "153 Jahre nach ihrer Hinrichtung stehen sie wieder auf und bilden eine Barriere um den Kaiser." 
Im Anschluss wurden die Namen der 27 Hingerichteten von drei ehemaligen Schülerinnen des Markgrafengymnasiums, die an der Aktion von 1998 mitgewirkt hatten, verlesen. Die Zeremonie wurde mit Liedern der Freiheitskämpfer auf der Drehorgel begleitet. Er wünsche sich eine ernsthafte Auseinandersetzung mit der Thematik, betonte Eidenmüller abschließend. (sas)
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